Von zu viel Arbeit überfordert?

126 E-Mails am Tag, 23 Stunden Meetings pro Woche und laut der Harvard Business Review (HBR) zwischen 5 und 10 direkte Untergebene. So sieht der typische Arbeitsalltag einer Führungskraft oder eines CEO aus, und dazu kommt noch all das, was an einem Tag im Büro sonst so passiert.

Da ist es kein Wunder, dass sich so mancher von der Arbeit überwältigt fühlt.

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Ein anderer HBR-Artikel erklärt, dass das Gefühl von Überforderung entsteht, wenn die „Komplexität der Welt, die uns umgibt, die Komplexität unseres Verstandes übersteigt“. Das macht deutlich, dass die Intelligenz hier keine Rolle spielt, sondern vielmehr die Art, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und interpretieren.

In einer immer schnelleren, anspruchsvolleren Welt ist die klassische Reaktion seit Generationen gleich geblieben: noch mehr arbeiten. Manche stehen früh auf, um Stunden vor dem Rest im Büro zu sein, sei das nun virtuell oder vor Ort, und so für eine Weile das Gefühl von Kontrolle zu haben. Dafür gibt es viele Beispiele wie Tim Cook, den CEO von Apple, dessen Tag bekanntermaßen um 3:45 beginnt.

Das Gefühl, von der Arbeit überfordert zu sein hat einen unmittelbaren Preis: gesundheitliche Probleme, eine Verschlechterung der kognitiven Eigenschaften, verminderte geistige Fähigkeiten, beeinträchtigtes Erinnerungsvermögen, Konzentrationsschwierigkeiten, verringerte Problemlösefähigkeiten etc.


So besiegen Sie den Stress

Es ist nicht leicht, Ängste und das Gefühl von Überforderung abzubauen. Ich enttäusche Sie lieber gleich am Anfang des Artikels: Es gibt keinen Zauberstab und auch keine Wunderpille (und wenn Sie etwas in der Art finden, lege ich Ihnen dringend ans Herz, die Nebenwirkungen genau zu prüfen...). Doch das Thema ist so allgegenwärtig in der Arbeitswelt, dass ich einen Artikel dazu schreiben wollte, um einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Situation zu leisten.

Im Folgenden beschreibe ich zunächst fünf Fehler der Selbstsabotage, die überforderte Personen oft begehen, und anschließend fünf Ideen, die für Verbesserung sorgen können. Jeder dieser Punkte stützt sich auf wissenschaftliche Studien und Artikel aus der HBR.


Fünf Fehler der Selbstsabotage

1. Der Irrglaube, man hätte keine Zeit für Dinge, die Erleichterung bringen

Die meisten Menschen wissen, wie sie ihr Stressniveau, ihre Ängste oder das Gefühl von Überforderung reduzieren könnten. Das wären Dinge wie eine weitere Person zur Unterstützung einstellen, Aufgaben delegieren oder im privaten Bereich einen Ausflug mit Freunden unternehmen, sich eine Massage gönnen oder eine Haushaltshilfe engagieren.

Man ist nur zu beschäftigt, um das auch umzusetzen. Was zweifellos mittel- und langfristig eine Erleichterung bringen würde, erfordert zunächst eine zusätzliche, kurzfristige Anstrengung, die oft einfach nicht unternommen wird.

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Was Sie hier tun können ist die erforderliche Antriebsenergie zu reduzieren, die Sie für Ihre Pläne brauchen. Das bedeutet, die Fünf auch einmal gerade sein zu lassen und mit etwas Einfachem zu beginnen.


2. Das Unterbewusstsein ausblenden

Wer überfordert ist, hat ein gesteigertes Bedürfnis danach, etwas zu tun, aktiv zu sein, Dinge wegzuschaffen. Aber mehr Aktivität bedeutet nicht immer auch mehr Effizienz. Je aktiver man ist und je weniger Pausen man sich gönnt, desto leichter verliert man aus den Augen, was wirklich wichtig ist.

Unser Unterbewusstsein leistet hervorragende Arbeit – wenn wir es lassen. Und das bedeutet, Pausen zum Nachdenken einzulegen. Das kann zum Beispiel ein Spaziergang sein, für den Sie das Büro verlassen. In solchen Momenten geschehen wunderbare Dinge. Haben Sie auch schon bemerkt, dass die besten Ideen zu den unerwartetsten Zeiten entstehen? Unter der Dusche, beim Spazierengehen, auf dem Fahrrad.


3. Das Gefühl von Überforderung als Schwäche interpretieren

Jeder hat sich schon einmal überfordert gefühlt: Von der wichtigen Präsentation, die anstand, für die man sich aber nicht bereit fühlte; von jenem Projekt mit der scheinbar unerreichbaren Deadline, oder einfach von all den E-Mails, die den Posteingang überfluten. Man fühlt sich dann überfordert, wenn die Realität anders aussieht, als man es gerne hätte.

Dieses Problem vervielfacht sich, wenn man das Gefühl der Überforderung als Schwäche ansieht. Wenn man beispielsweise denkt, man müsste eigentlich in der Lage sein, die Präsentation perfekt abzuliefern, das Projekt pünktlich zu beenden oder alle E-Mails umgehend zu beantworten.

Dann steht man nicht nur vor einer Aufgabe, die überfordert, sondern obendrein vor der Herausforderung, dass man denkt, man sei nicht genug. Die Katze, die sich in den Schwanz beißt.

Es ist normal, sich überfordert zu fühlen, und das zu akzeptieren ist der erste Schritt zur Besserung.


4. In alte Gewohnheiten zurückfallen

Wenn wir unter Stress stehen, tut unser Körper etwas, das vor vielen tausend Jahren nützlich war, doch heute hat es leider den gegenteiligen Effekt. Bei Überforderung geht der Körper in den Kampfmodus (früher gegen wilde Tiere), und der Hypothalamus schüttet das Stresshormon Cortisol aus. Die Folge: Wir schließen unser Visier und erstarren, unsere emotionalen und kognitiven Fähigkeiten verschlechtern sich und wir fallen automatisch in alte Verhaltensmuster zur Problembewältigung zurück.

Doch was in einem Fall funktioniert, muss in einem anderen noch lange nicht effektiv sein. Wenn man beispielsweise zum Nachdenken tendiert, kann das Gedankenkarussell unter Stress leicht außer Kontrolle geraten. Eigenständigkeit kann sich in ein Streben verwandeln, alles selbst machen zu wollen. Hohe Ansprüche werden schnell zu Perfektionismus. Und Einfallsreichtum kann zu unnötig komplizierten oder unkonventionellen Ansätzen führen.

Der erste Schritt ist, sich dessen bewusst zu werden und nicht so hart zu sich selbst zu sein.


5. Sich abkapseln

Es ist normal, sich zurückzuziehen und Kontakte und Unterbrechungen zu meiden, wenn man unter Stress steht. Das gilt auch für Personen, die unter normalen Umständen Freude und Energie spenden, wie Partner, Eltern, Kinder oder Freunde. Statt einer liebevollen Unterhaltung oder einer langen Umarmung, die normalerweise stattfinden würden, siegt der Wunsch, keine Zeit zu verlieren. Deshalb lehnen wir ab, was uns eigentlich Energie liefern würde, und das ist Selbstsabotage.

Zudem wünschen sich diese Personen unsere Aufmerksamkeit, und wenn sie ausbleibt, kann es sein, dass sie ein Verhalten an den Tag legen, das noch zusätzlich zum Stress beiträgt. Ein Kind fängt an, Krach zu machen oder die Wände anzumalen. Der Partner beginnt Streitereien oder Unterhaltungen über irrelevante Themen. Alles nur, um unsere Energie und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Auch wenn Sie noch so gestresst ist, sollten Sie sich daher besser den Luxus leisten, den Laptop für einige Minuten zu schließen, klar zu sagen, wie lange Sie Zeit haben und ihnen Ihre Aufmerksamkeit zu 100 % zu schenken. So geben Sie Anderen die Energie und Zuwendung, die sie brauchen, verhindern Sabotageakte und haben außerdem die Gelegenheit, Ihren eigenen Akku mit der Energie Ihrer Lieben aufzuladen.

Diese fünf Fehler der Selbstsabotage hat wohl jeder schon einmal begangen, ich zumindest ganz bestimmt. Doch wer sich dessen bewusst ist, kann etwas dagegen unternehmen.

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Fünf Tipps zur Stressreduktion

Und nun kommen fünf Vorschläge, die Ihnen hoffentlich dabei helfen werden, sich weniger gestresst zu fühlen. Ich möchte aber auch ehrlich sein: Ein kompletter Wandel von heute auf morgen wäre ein Wunder, und an die glaube ich persönlich nicht. Aber ich glaube an die Ergebnisse der ständigen (Selbst)Verbesserung.

  • Stellen Sie Ihre Glaubenssätze in Frage
    Wir alle haben tief verankerte Glaubenssätze und Überzeugungen. Sie sind die Quintessenz unseres Wesens, die wir uns im Laufe unseres Lebens durch Erziehung und Erfahrungen angeeignet haben. Glaubenssätze wie Wenn ich nicht hart genug arbeite, werde ich es nicht weit bringen. Oder auch Nur wenn man die Dinge gut macht, erzielt man gute Ergebnisse. Es gibt tausende davon, und jeder hat seine eigenen. Sie bringen uns voran, aber sie konditionieren uns auch – gerade in Stressmomenten, in denen wir besonders auf die Essenz unseres Wesens zurückfallen, und genau dann können sie uns die Luft nehmen.

    Versuchen Sie, Ihre Glaubenssätze kritisch zu hinterfragen, denn sie sind genau das: eben nur Glaubenssätze. Andere Menschen haben auch ohne sie das erreicht, was wir uns wünschen. Vielleicht ist es an der Zeit, eine Klammer um den einen oder anderen Glaubenssatz zu setzen
  • Identifizieren Sie Ihren größten Stressfaktor – und ändern Sie etwas daran
    In der Regel ist man gestresst, weil zu viel ansteht und man nicht weiß, wie man alles so schaffen kann, wie man es gerne hätte. Die Wirklichkeit und unsere Wunschvorstellung davon, wie sie aussehen sollte, klaffen auseinander.

    Manchmal ist ein einziger Aspekt für 80 % des Stresses verantwortlich. Identifizieren Sie diesen Aspekt und konzentrieren Sie sich darauf, ihn schnellstmöglich aus dem Weg zu räumen.
  • Setzen Sie sich Grenzen
    Es ist gut, die Zahl Ihrer Arbeitsstunden oder die Arbeitslast, die Sie übernehmen, zu begrenzen. Man muss auch nein sagen können. (Noch so ein Glaubenssatz: Man darf nicht nein sagen, wenn man es zu etwas bringen möchte). Wenn Sie nein sagen, bedeutet das: Sie wissen, dass Sie sich nicht um alles kümmern können und wählen bewusst die Dinge aus, die für Sie, Ihre Abteilung oder Ihr Unternehmen die größte Bedeutung und Priorität haben.

    Selbst die erfolgreichsten Menschen der Welt haben nicht alles selbst gemacht, sondern nur das Wichtigste.
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    • Sagen Sie dem Perfektionismus den Kampf an
      Perfection is the enemy of done. Zu Deutsch: Perfektionismus ist der Feind davon, Dinge zu Ende zu bringen. Ein bekanntes Konzept ist die 80-20-Regel, die besagt, dass die ersten 80 % eines Projektes oft 20 % der Arbeit erfordern.  Für die verbleibenden 20 % hingegen benötigt man 80 % der Anstrengung. Perfektionismus fordert also viel Aufwand, Zeit und Energie.

      Der Gedanke an ein perfekt ausgeführtes Projekt mag wie eine unüberwindliche Hürde erscheinen. Sie wirkt so hoch, dass man gar nicht erst anfängt und Dinge hinausschiebt, und das macht den Stress noch größer.

      Im IT-Bereich arbeitet man seit Jahren mit einem so genannten  MVP, dem minimum viable product (minimal brauchbares Produkt). Sprich man identifiziert, was in diesem Moment die Mindestanforderungen an ein Produkt oder eine Dienstleistung sind. Dann wird es auf den Markt gebracht und analysiert, bevor man an der Version 2.0 weiterarbeitet.

      Sagen Sie Ihrem Perfektionismus den Kampf an und werden Sie mit Hilfe von 80-20 und MVP effizienter.
    • Delegieren Sie
      Und last but not least, delegieren Sie. Das Abgeben von Verantwortung ist eine Kunst, die Zeit spart. Doch es gibt immer Menschen, die sagen Ich mache lieber alles selbst. Zur Verdeutlichung ein Vergleich: Wenn Sie ein kleines Restaurant besitzen und möchten, dass es wächst, dann können Sie auf die Dauer nicht alles selbst machen: kochen, bedienen, kassieren, die Teller waschen... Sie müssen einen Teil abgeben. Wenn Sie das nicht tun, hindern Sie Ihr Geschäft daran, zu wachsen.

      Dasselbe gilt für alle Bereiche des Berufslebens. Man muss delegieren, um sich auf die Dinge konzentrieren zu können, die einem am besten liegen und die man gerne tut.
      Dazu müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
    • Die richtigen Personen an der richtigen Stelle
    • Die Bereitschaft zu Delegieren

    Zum ersten Punkt habe einen Artikel verlinkt, falls Sie das Thema vertiefen möchten. Und wenn Sie mit Punkt zwei Schwierigkeiten haben, ist es vielleicht an der Zeit, dass Sie mit einem Coach arbeiten, der Sie dabei unterstützt.


    Stress abbauen Schritt für Schritt

    Ich weiß nicht, von wem dieser Spruch stammt, aber er scheint mir unglaublich weise: Unsere Welt besteht zu 10 % aus dem, was geschieht, und zu 90 % aus dem, wie wir darauf reagieren..

    Stress ist nichts, was uns widerfährt. Überforderung ist keine Kraft, die von außen auf uns einwirkt; Stress wird von uns selbst in unserem Gehirn erzeugt. Natürlich gibt es dafür mehr oder weniger günstige Umstände, doch der erste Schritt besteht darin, sich dessen bewusst zu werden und einzugestehen, dass es an uns selbst liegt.

    Vielleicht denken Sie, dass ich als Autor dieses Artikels keinen Stress kenne. Das stimmt ganz und gar nicht, doch im Laufe der Jahre habe ich gelernt, mit Hilfe von Techniken und Selbsterkenntnis weniger gestresst zu sein. Ich habe die meisten der hier beschriebenen zehn Aspekte in mein Leben eingebunden und das hilft mir dabei, die richtige Perspektive zu behalten und entspannter zu sein.

    Ob das immer funktioniert? Nein.

    Aber das Leben ist ein Weg der ständigen Verbesserung.

    Nächste Schritte...

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