Je mehr das Unternehmen wächst, desto relevanter wird interne Kommunikation. Was bei fünf Mitarbeitenden noch schnell mal eben an der Kaffeemaschine und über inoffizielle Kanäle kommuniziert wird, funktioniert bei einem Unternehmen mit fünfzig Personen nicht mehr. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist der Moment gekommen, an dem sich die Unternehmensspitze mit dem Thema Kommunikation aktiv auseinandersetzen muss. Zufällige, unregelmäßige und informelle Kanäle führen allzu oft zu Wissenslücken, die gerne aus der Gerüchteküche gefüllt werden. Das gereicht dem Unternehmen leider meist nicht zum Vorteil.
Geplante Kommunikation mag sich am Anfang etwas steif und irgendwie unspontan anfühlen. Doch für ein Unternehmen, das wachsen will, führt kein Weg daran vorbei. Und meist ist es ja nicht das „Was“, sondern das „Wie“, das die Unternehmenskultur bestimmt.
Ein unverzichtbares Tool bei der Kommunikation ist das All-Hands-Meeting, das sich auch bei uns mit diesem englischen Begriff eingebürgert hat. Andere Namen, denen ich begegnet bin, sind „Transparenz-Meeting“ oder auch „Townhall-Meeting“.
Warum ist ein solches Meeting also eine gute Idee? Wie und wie oft sollte es stattfinden? Und wer nimmt daran teil? All diese W-Fragen möchte ich in diesem Artikel beantworten und Ihnen so dabei helfen, Ihre interne Unternehmens-Kommunikation zu verbessern.
Was genau ist das All-Hands-Meeting?
Wie der englische Name schon sagt, handelt es sich um ein Meeting, an dem „alle Hände“ teilnehmen. Also alle Mitarbeitenden des Unternehmens. Alle? Ja, alle! Mehr dazu später.
Ziel ist dabei, alle Mitarbeitenden auf den gleichen Informationsstand zu bringen und allen die gleiche Möglichkeit zu geben, Fragen, Ideen oder Einwände vorzubringen.
Warum ist ein solches Meeting sinnvoll?
Es gibt viele gute Gründe, ein All-Hands-Meeting abzuhalten. Hier vier Argumente, die ich für wichtig halte:
- Verbesserung der Kommunikation: All-Hands-Meetings ermöglichen es, Informationen direkt und transparent zu teilen. Relevantes wird abteilungsübergreifend und direkt vom Management kommuniziert.
- Steigerung von Teamgeist und Motivation: Diese Treffen schaffen ein Gemeinschaftsempfinden, und zwar abteilungsübergreifend. Erfolge können gefeiert werden, ein Wir-Gefühl entsteht.
- Klarheit bei der strategischen Ausrichtung: All-Hands-Meetings bieten eine Gelegenheit, die Unternehmensziele und -strategien zu kommunizieren und zu überarbeiten. Sie sorgen dafür, dass alle Mitarbeitenden verstehen, in welche Richtung sich das Unternehmen bewegt und wie ihre Arbeit dazu beiträgt.
- Bessere Entscheidungen: Wissen und Informationen tragen dazu bei, bessere Entscheidungen zu treffen. Gut informierte Mitarbeiter rudern in die richtige Richtung. Beides trägt dazu bei, dass das Boot besser und schneller vorankommt.
Häufiger erlebe ich, dass Unternehmen ihre Kommunikation durch einen internen Newsletter verbessern wollen. Nach einem anfänglichen Erfolg wird dieser allerdings oft sogar als störend empfunden, da „noch eine weitere E-Mail zu lesen ist“.
Das Buch 7 levels of communication (7 Levels der Kommunikation) von M.J. Maher unterscheidet vereinfacht gesagt zwei verschiedene Arten von Information: Informativ und beeinflussend. E-Mails gehören zur ersten Gruppe, All-Hands-Meetings zur zweiten. Wenn es um strategische Ausrichtung, Teamgeist und Motivation geht, will das Unternehmen ja seine Mitarbeitenden beeinflussen. Deshalb ist solch ein Meeting der beste Weg.
Welche Inhalte sollte das All-Hands-Meeting haben?
Was im All-Hands-Meeting mitgeteilt werden darf oder soll - oder auch nicht - obliegt jedem Unternehmen selbst. Meist gibt die Firmenkultur vor, was gesagt wird und was nicht, und sie bestimmt in der Regel auch, ob die Mitarbeitenden proaktiv mit Fragen teilnehmen oder eher nicht. Das Meeting lenkt die Firmenkultur eben genau in die gewünschte Richtung.
Vereinfacht ausgedrückt schlage ich für den Inhalt des Transparenz-Meetings folgende drei Abschnitte vor:
A. Was uns zurzeit beschäftigt
In diesem Meeting sollen alle Mitarbeitenden auf den neuesten Stand gebracht werden, was das Unternehmen in diesem Moment beschäftigt. Einige Beispiele: Neuzugänge, Umstrukturierungen, Status wichtiger Projekte wie ein neues CRM etc., große Messen die anstehen, der Einfluss von KI auf das Unternehmen, Jubiläen und vieles mehr.
B. Wo die Reise hingeht
Wichtig ist, dass alle Mitarbeitenden regelmäßig informiert werden, wo die Reise mit dem Unternehmen hingeht. Ihre Mitarbeitenden sitzen, metaphorisch gesprochen, in einem Reisebus, aber keiner sagt Ihnen was das Ziel ist. Trotzdem erwartet die Chefetage, dass alle mit enormer Begeisterung bei der Reise dabei sind… Erzählen Sie Ihren Mitarbeitenden die Reiseroute. Wir von EOS (Entrepreneurial Operating System) empfehlen, an dieser Stelle bei jedem Meeting den Inhalt des VTO (Vision-Traction-Organizer) zu teilen. Er umfasst folgende acht Punkte:
1. Kernwerte.
Die Kernwerte definieren die Firmenkultur, sie bestimmen, welche Art von Personen wir sind, welche Arbeitsethik wir haben.
2. Zentraler Fokus.
Bestehend aus dem „Warum existiert das Unternehmen“ und dem „Was macht unser Unternehmen“ setzt er den Fokus, grenzt ein und schließt aus. Er definiert quasi das Spielfeld, wie beim Fußball.
3. Langfristiges Ziel.
Wo soll das Unternehmen in fünf bis 30 Jahren stehen?
4. Go-To-Market Strategie.
Wie sieht unser idealer Kunde aus und was sind unsere auf diesen Kunden abgestimmte USP?
5. 3-Jahres-Bild.
Wie sieht unser Unternehmen in drei Jahren aus? Umsatz, Gewinn und fünf bis 15 Punkte, die beschreiben, wie das Erscheinungsbild des Unternehmens in drei Jahren sein soll.
6. 1-Jahres-Plan.
Was ist der Plan für dieses Jahr? Umsatz, Gewinn und drei bis sieben SMARTe Ziele. Dazu ein ehrliches Update zu jedem Ziel, ob wir on-track (ja, wir schaffen das!) oder off-track (zurzeit hinken wir hinterher) sind.
7. Rocks.
Der Begriff Rocks stammt von einer Analogie von Stephen Covey; er steht für Quartalsziele. An dieser Stelle kommunizieren wir ebenfalls die Zielsetzung für Umsatz und Gewinn, dieses Mal für das Quartal, und zusätzlich die drei bis sieben wichtigsten Ziele des Unternehmens für die nächsten 90 Tage.
8. Issues.
Und auch die Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie ändern sollten oder wollen, die zurzeit aber auf der Warteliste stehen, werden kommuniziert. So weiß jeder Mitarbeiter, dass Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern dass zurzeit einfach andere Dinge mehr Priorität haben.
C. Ein paar Worte über die Vergangenheit
Mit Vergangenheit sind die Quartalsziele (oben unter Rocks) gemeint, die vor 90 Tagen kommuniziert wurden. Am Ende des Quartals legen wir als Leadership-Team dem Unternehmen gegenüber Rechenschaft ab, wie die drei bis sieben wichtigsten Ziele des Unternehmens in diesen 90 Tagen gelaufen sind. Was wurde geschafft, was nicht und was haben wir daraus gelernt. Keine Ausreden an dieser Stelle!
Soweit der Inhalt.
In der Praxis ist es am besten, die folgende Reihenfolge zu nutzen:
- Vergangenheit (C)
- Gegenwart (A: was uns zurzeit beschäftigt)
- Zukunft (B: wo die Reise hingeht)
- Q&A
Am Ende sollte Zeit für Fragen und Feedback eingeplant werden.
Mit welcher Frequenz wird das Meeting abgehalten?
„Man muss Dinge sieben Mal hören, bevor man sie das erste Mal hört.“ Wie oft sagt man seinen Kindern wohl, sie sollen die Hände vor dem Essen waschen? Einmal? Zehnmal? Hundertmal…? Und wir wiederholen es trotzdem immer wieder: „Hände waschen, bitte.“
Ich weiß, Mitarbeitende sind keine Kinder und wir sollten sie nicht als solche behandeln. Trotzdem sind sie auch nur Menschen, und jeden Tag prasseln unzählige Informationen auf sie ein. Das meiste wird vom Gehirn als irrelevant aussortiert. So auch die Vision des Unternehmens, wenn sie nur einmal kommuniziert wird. Sehen Sie es also wie eine interne Werbekampagne. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen dazu, wie oft wir eine Werbung sehen müssen, bevor sie hängenbleibt. Nur so viel: Es sind ganz schön viele Male.
Das All-Hands-Meeting sollte alle 90 Tage, nach Ihrem vierteljährlichen strategischen Planungs-Meeting, abgehalten werden.
Ein Kommentar zum Thema proaktive Teilnahme der Mitarbeitenden:
Wenn Ihre Unternehmenskultur bis jetzt eher weniger transparent war, erwarten Sie nicht, dass Ihre Mitarbeitenden von einem Tag auf den anderen den Schalter im Kopf umlegen und ihre Fragen oder gar Zweifel alle offen auf den Tisch legen. Beim ersten Mal wird eher Erstaunen im Raum stehen nach dem Motto „was war das denn…?“. Beim zweiten Mal steht in den Köpfen der Satz „Schau mal einer an, scheint ja doch keine Eintagsfliege gewesen zu sein“. Und etwa beim dritten Mal fangen die Mitarbeitenden erfahrungsgemäß an, aufzutauen und das nötige Vertrauen aufzubauen, um erste Fragen zu stellen.
Q&A zum All-Hands-Meeting
Sicher sind noch nicht all Ihre Zweifel ausgeräumt, aber ich hoffe, Sie sind motiviert genug, es anzugehen! Trotzdem hier noch ein paar schnelle Antworten auf häufige Fragen:
- Wie viel Zeit sollte für das Meeting eingeplant werden?
Typischerweise zwischen 60 und 90 Minuten. - Was wenn keine 100% korrekten Informationen vorliegen?
Wann ist Information in unserer VUCA-Welt schon zu 100% korrekt…? Das Problem ist, wenn Sie nichts kommunizieren, werden die Lagunen üblicherweise mit Gerüchten gefüllt: den schlimmsten Szenarien. Darum ist alles besser, als nichts zu kommunizieren. Merken Sie zum Beispiel an, dass die Information mit Vorsicht zu genießen ist und sich in den kommenden Tagen/Wochen noch ändern kann oder wird. - Was tun, wenn das perfekte Szenario nicht möglich ist?
Sagen Sie nicht nein zu dem Meeting, wenn das perfekte Szenario nicht funktioniert. Fragen Sie sich nicht, was nicht geht, sondern was doch geht. Es kann sein, dass nicht alle im gleichen Raum sind, sondern einige virtuell zugeschaltet sind. Es kann sein, dass Sie das Meeting zweimal durchführen müssen, um alle einzubinden. Oder dass in Ausnahmefällen für einige wenige dieses Mal nur ein Video zur Verfügung steht etc. Bringen Sie das Meeting so nah an den Idealzustand heran wie möglich. - Wer präsentiert und wer nimmt teil?
Typischerweise präsentiert der Operative Leiter des Unternehmens. Manche Firmen ziehen für eine größere Wirkung das gesamte Leadership Team heran. Teilnehmer ist die gesamte Belegschaft des Unternehmens. - In welchem Stil wird das Meeting abgehalten (wo und wie)?
Dafür gibt es keine Regel. Meist findet es in den Räumlichkeiten des Unternehmens statt. Und das Wie bestimmt Ihre Unternehmenskultur und Ihr Charakter: Verstellen Sie sich nicht! Authentizität ist ein absolutes Muss beim All-Hands-Meeting. Wenn Sie eher der trockene Typ sind, seien Sie trocken. Wenn Sie eher der lustige Typ sind, ist es völlig ok, einen Spaß einzubauen. - Weitere Fragen?
Kontaktieren Sie mich. Ich helfe gerne!
Streben Sie nicht nach Perfektion. Perfektion ist der Feind von Fortschritt. Das Wichtigste ist nicht, dass das erste Meeting perfekt wird, sondern das stete Wiederholen. Beim zweiten Mal wird es dann sicher schon viel besser als beim ersten Mal 😉
Viel Erfolg!
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