Incentives: wann und wie?

Incentives sind das am häufigsten missverstandene Management-Tool überhaupt. Viel zu oft stehen sie für gescheiterte Versuche, die Belegschaft zu motivieren oder talentierte Mitarbeitende zu halten. Jeder kennt die Situation: Ein Teammitglied ist demotiviert und man setzt sich direkt ans Reißbrett, um ein Incentive-Modell zu erarbeiten und damit die Motivation wieder herzustellen. Das ist ein großes Problem, denn seit Jahrzehnten, seit Beginn der Motivationsforschung ist bekannt, dass Incentives nur in wenigen Konstellationen wirksam sind.

Dieser Artikel soll als Leitfaden und Entscheidungshilfe dienen und aufzeigen, wann es sinnvoll ist, Incentives einzusetzen und wann nicht.

incentivos - igostrategy

Zunächst möchte ich allerdings etwas ausholen und der Frage auf den Grund gehen, weshalb Incentives verwendet werden. Sie kommen zum Einsatz, um Personen zu motivieren, damit sie bessere Ergebnisse erzielen oder um sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wenn man von Motivation spricht, unterscheidet man zwischen zwei Arten:

  • Intrinsische Motivation: Sie entspringt aus unserem Inneren und treibt uns zum Handeln an. Sie stützt sich auf drei Säulen: Beweggrund, Autonomie und Können.
    Wenn Sie mehr über die intrinsische Motivation erfahren möchten, empfehle ich Ihnen mein Buch, Das motivierte Unternehmen.
  • Extrinsische Motivation: Motivation, die man auf Grund von externen Faktoren wie Lob, Applaus oder eben Incentives verspürt.

Der Einsatz von Tools zur Steigerung der extrinsischen Motivation wirkt sich häufig (sehr) negativ auf die intrinsische Motivation aus. Deshalb sollte man auf dem Gebiet der intrinsischen Motivation nichts unversucht lassen, bevor man auf Incentives zurückgreift.


8 Filter, um festzustellen, ob Incentives Sinn machen

Nachdem wir uns angesehen haben, warum Incentives zum Einsatz kommen, ist es an der Zeit, mit Hilfe von acht Filtern herauszufinden, ob das wirklich eine gute Idee ist.

Incentives funktionieren, darin sind wir uns alle einig. Doch leider gilt das nur in wenigen Fällen, beispielsweise im Verkauf, und selbst hier muss man genauer hinsehen: Handelt es sich um einen transaktionalen Verkauf? Das bedeutet, dass eine einfache „Sache“ verkauft wird. Heutzutage finden Käufer die Informationen zunehmend im Internet und die Figur des Verkäufers von früher existiert nicht mehr. Stattdessen soll er als Experte mit Insights und Know-how auftreten und ist damit weniger Verkäufer, sondern vielmehr Berater. In einem solchen Kontext schadet der Einsatz von Incentives mittel- und langfristig mehr, als er nutzt.

Werfen wir nun also einen Blick auf die acht Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Incentives Sinn machen:

  • Die Arbeit ist monoton und immer dieselbe
  • Das Ziel ist klar und es gibt keinen Raum für Missverständnisse
  • Qualität und Quantität der Ergebnisse lassen sich leicht messen
  • Die Kontrolle über das Ergebnis liegt von A bis Z beim Angestellten
  • Es ist schwer oder unmöglich, das Incentive-System auszutricksen
  • Die Tätigkeit hängt nicht von anderen Personen ab und erfordert keine Teamarbeit
  • Der Mitarbeitende muss anderen nicht helfen
  • Die Höhe der Gratifikation wird als relevant empfunden und die Auszahlung erfolgt häufig

Um Incentives sinnvoll einzusetzen, muss nun nicht einer dieser acht Faktoren zutreffen, sondern alle acht zugleich! Gar nicht so einfach... Doch die Welt ist voller Unvollkommenheiten, und das gilt auch hier. Da sich nicht alles so leicht in schwarz oder weiß aufteilen lässt, können Sie jede Frage mit Punkten bewerten, beispielsweise von 0 bis 5, und daraus einen Mittelwert berechnen. Wenn dieser bei 3 oder weniger liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Einsatz von Incentives wirksam wäre, sehr gering. Dann schaden sie mehr, als sie nutzen würden. Das gilt auch, wenn Sie in einer oder mehreren Kategorien null Punkte vergeben haben. Natürlich handelt es sich hier um keine exakte Wissenschaft, aber ich hoffe, dass die Liste Ihnen die Entscheidung erleichtern kann, ob Sie Incentives einsetzen sollten oder nicht.

Und was kann passieren, wenn Incentives falsch eingesetzt werden? Dazu kommen wir jetzt.

eBook Mitarbeiterführung - igostrategy


5 negative Auswirkungen von Incentives

Wenn Incentives an falscher Stelle verwendet werden, zahlt das Unternehmen dafür einen Preis, der zwar oft unsichtbar bleibt, deshalb jedoch nicht weniger hoch ausfällt. Schlecht eingesetzte Incentives können folgende negative Auswirkungen haben:

  • Verlust der intrinsischen Motivation. Wenn die Hebel der extrinsischen Motivation durch Incentives falsch bedient werden, untergräbt das die intrinsische Motivation.
  • Abnahme kognitiver Fähigkeiten. Tausende Studien belegen, dass sich Incentives negativ auf die kognitiven Fähigkeiten (Kreativität, Kommunikation, Vision, Problemlösung...) auswirken können. Das wohl bekannteste Experiment dazu ist das Kerzenproblem, das nicht nur aufzeigte, dass sich Incentives in diesem Fall als kontraproduktiv erwiesen, sondern auch, dass das Ergebnis umso schlechter ausfiel, je größer das Incentive war
  • Scheuklappen. Wenn man Incentives festlegt, ist es, als würde man den Personen Scheuklappen anlegen. Denn dann richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Incentives und die Mitarbeitenden lassen andere Dinge außen vor, die zwar ebenso wichtig sein mögen, aber nicht belohnt werden.
  • Schummeln. Jedes Incentives-System ist eine Einladung, es zu überlisten. Es ist schon vorgekommen, dass Qualitätsprüfer Würmer mit in die Arbeit nahmen, um diese in die Lebensmittel zu schmuggeln, sie zu entdecken und dafür belohnt zu werden (ein echter Fall). Das mag einen zum Schmunzeln bringen, doch auch Ihr Incentive-Programm hat mit Sicherheit Schlupflöcher – es gibt sie immer. Die Arbeit wird zu einem Hindernis, um die Belohnung zu erlangen.
  • Persönliche Meinungen. Unzählige Incentive-Systeme basieren (zumindest teilweise) auf subjektiven Meinungen. Die des Chefs, eines Bekannten oder eines Kunden. Studien belegen, dass 60 % der Bewertungen darauf basieren, was für eine Person der Prüfer ist und nicht darauf, was für ein Mensch der Prüfling ist.

Nun haben Sie den Filter mit den acht Voraussetzungen angewendet und die fünf negativen Auswirkungen kennengelernt. Sollten Sie immer noch dazu entschlossen sein, mit Incentives zu arbeiten, dann gebe ich Ihnen im Folgenden einige Grundsätze an die Hand, wie, wann und in welchem Umfang dies sinnvoll ist.


4 Richtlinien für den Einsatz von Incentives

  • Definieren Sie Ihre Incentive-Strategie. Was möchten Sie erreichen? Hier gibt es drei mögliche Szenarien:
  • Lenken: Gibt es für eine Sache eine Prämie und für eine andere nicht, wirkt das richtungsweisend. Wenn Ihr Unternehmen beispielsweise mehrere Produkte vertreibt, bietet es sich an, für jene mit der höchsten Gewinnspanne größere Incentives zu vergeben.
  • Umsatzsteigerung: Als Restaurantbesitzer könnten Sie einen Bonus für jedes pro Kunde ausgeschenkte Getränk aussetzen. So ermuntern Sie die Kellner, öfter bei den Gästen nachzufragen, ob sie noch etwas trinken möchten. Allerdings kann das den unerwünschten Nebeneffekt „Scheuklappen“ haben, wenn das Personal nicht mehr auf das Wohl der Gäste bedacht ist, sondern nur darauf, möglichst viele Getränke an den Mann zu bringen.
  • Unternehmenskultur: Incentives vermitteln eine Botschaft, besonders wenn sie einen hohen Anteil des Grundgehalts ausmachen; das gilt bereits für den Einstellungsprozess. Ehrgeizigen Persönlichkeiten mag es gefallen, andere schlägt es eher in die Flucht. Deshalb ist es wichtig, die Unternehmenskultur zu definieren, die Ihre Strategie trägt, bevor Sie Incentives einführen. Was ist Ihnen mehr wert, Konkurrenzdenken oder Teamarbeit und der Austausch von Ideen und Know-how?
  • Definieren Sie Wie. Incentives müssen einfach sein und so beschaffen, dass die Person, die sie bekommt, genau, einfach und direkt (also ohne einen Kurs zu machen...) versteht, wie sie das Ergebnis selbst durch ihre Arbeit oder eventuelle Änderungen an ihrer Arbeitsweise beeinflussen kann. Deshalb machen komplizierte Incentives mit Quadratwurzeln und 15 Variablen hoch drei keinen Sinn. Stattdessen gilt: je einfacher, desto besser. Wenn Ihre Ziele nur durch ein hochkomplexes System zu erreichen sind, dann hakt es wahrscheinlich an den obigen acht Faktoren und Sie sollten noch einmal überdenken, ob das Ganze wirklich sinnvoll ist.
  • Definieren Sie Wieviel. Um wirksam zu sein, muss eine Prämie als relevant empfunden werden. Das ist erst dann der Fall, wenn ihre Höhe mindestens 8 bis 12 % des Grundgehalts ausmacht. Weniger hat mit großer Wahrscheinlichkeit keinerlei Auswirkungen. Bei manchen Unternehmen im Vertriebssektor beläuft sich der Anteil auf 50 % oder sogar noch mehr. Setzen Sie den Incentives bloß keine Grenzen nach oben! Wenn Sie sparen möchten, dann tun Sie das bei den wenig produktiven Mitarbeitenden, aber niemals an den Top Performern.
  • Definieren Sie Wann. Günstig ist ein System, in dem Prämien so oft wie möglich ausbezahlt werden. Videospiele machen es vor: Sobald der Spieler etwas erreicht hat, bekommt er direkt eine Belohnung, um ihn bei Laune zu halten. Das wäre ideal. Bei Personen mit wenig Verantwortung im Unternehmen sollte die Auszahlung mindestens einmal im Monat erfolgen, beim CEO reicht einmal pro Jahr.


Kurz und gut...

...hoffe ich, dass die acht Filter, die fünf Gefahren und die vier Richtlinien Ihnen die Entscheidung erleichtern, ob Sie Incentives einsetzen sollten und wie das am effektivsten geschehen kann. Ist die Entscheidung gefallen, gibt es unzählige Arten und Wege, sie umzusetzen und keinen einzig richtigen Weg – es kommt auf das Unternehmen, seine Kultur und die Positionen an.

Zudem hoffe ich, dass Sie Incentives nun etwas kritischer gegenüberstehen und nicht (mehr) zu den vielen Tausend Managern gehören, die immer noch nicht verstanden haben, dass sie oft mehr schaden als nutzen.


Mein Dank gilt Sebastian Ross und Verne Harnish, weil sie das Buch Compensation geschrieben haben, das mich zu diesem Artikel inspiriert hat. Wenn er Ihnen gefallen hat, kann ich Ihnen den Titel wärmstens empfehlen.

Nächste Schritte...

Leave a Reply 0 comments

Leave a Reply: