Während ich mein eigenes Unternehmen als CEO leitete betrug unsere jährliche Wachstumsrate zeitweise zwischen 30 und 50% und wir konnten das Team von 2 auf über 70 Personen mit Büros in drei verschiedenen Ländern ausweiten. Doch nicht immer war alles so toll wie es auf den ersten Blick aussah.
Im Jahr 2011 zum Beispiel lag eine Expansion nahe: Wir hatten die Wirtschaftskrise erfolgreich überwunden, waren 30 Personen an Board und alle Zeichen standen auf Wachstum. Für mich war die Situation jedoch nicht so klar.
Meine Tage hatten nicht genug Stunden, um alle Herausforderungen, Probleme und jedes Feuer im Unternehmen löschen zu können. Wachsen bedeutete für mich noch mehr Probleme lösen zu müssen, noch mehr Stress, noch weniger Zeit. Während wir uns durch die Probleme auf der einen Seite der Firma arbeiteten und es besser wurde, wuchsen neue Probleme auf der anderen Seite der Firma. Wir kamen nicht richtig weiter, traten auf der Stelle, das Unternehmen stagnierte und ich und das Unternehmen waren an die Grenzen gestoßen.
An die Grenzen stoßen
Jahre später las ich einen Artikel über das Phänomen in der Harvard Business Review: es ist unvermeidlich, mit einem Unternehmen an Grenzen zu stoßen. Die Frage ist nicht, ob dies der Fall ist, sondern wann es so weit kommt. Manche Unternehmen befreien sich schneller als andere aus der Stagnation, andere hingegen schaffen es nie, sie bleiben zurück oder verschwinden im schlimmsten Fall sogar ganz vom Markt.
Über das Phänomen der Stagnation gibt es Studien aus den 60er Jahren. Sie können in diesem Artikel mehr darüber erfahren. Deprimierend an diesen Studien ist allerdings, dass zwar das Problem identifiziert und beschrieben wurde, jedoch keine Lösung vorgeschlagen wurde was man dagegen tun kann.
Die Daten sprechen für sich: Zwischen 50 und 70% der Unternehmen verschwinden in einem Zeitraum von weniger als 5 Jahren nach der Gründung.
Doch wie kann man verhindern, dass das Unternehmen stagniert?
5 Fähigkeiten des Managers
Wenn ich einem Management-Team helfe, EOS zu implementieren, arbeite ich unter anderem daran dass es nicht nur im und für das Unternehmen arbeitet, sondern sich auch Zeit nimmt über das Unternehmen nachzudenken. Denn alles was im Unternehmen passiert, ist Verdienst oder Schuld des Management-Teams. Wirklich alles.
Um das Ganze zu illustrieren nehme ich gerne das folgende Beispiel: Würden Jeff Bezos (CEO von Amazon) oder Mark Zuckerberg (CEO von Facebook) das Unternehmen leiten, wäre sehr viel anders, möglicherweise besser, doch zumindest anders. Andere Angestellte, andere Ziele, andere Unternehmenskultur, auch das Büro wäre anders... zum Vorteil oder zum Nachteil des Unternehmens.
Die Idee, dass alles im Unternehmen der Verantwortung des Management-Teams unterliegt bedeutet sicherlich Erfolgsdruck, es ist allerdings auch sehr motivierend. Denn das bedeutet dass Dinge verändert werden können. Und Veränderungen sind notwendig, um einer Stagnation zu entkommen.
Im Folgenden möchte ich die 5 Fähigkeiten eines Managers darlegen die dies erreichen können. Es sind unkomplizierte Fähigkeiten, aber keineswegs einfach alle zu beherzigen.
Vereinfachen
Jede Person die Sie Ihrem Team hinzufügen macht die Dinge komplexer. Stellen Sie sich zum Beispiel ein Treffen von Freunden vor, mit mehr als 5 Personen. Es kommt zu parallelen Gesprächen und nicht alle können an allen Unterhaltungen teilnehmen. Informationen gehen verloren oder erreichen nicht alle. Im Unternehmen ist das nicht anders. Wichtig ist zu verstehen, dass die Komplexität exponentiell ansteigt, wie aus der folgenden Grafik ersichtlich ist:
Es ist also wichtig, dass jede Person im Management-Team zu einem Experten im Vereinfachen wird: weniger ist mehr. Wenn das Management-Team nicht fähig ist, Dinge einfach zu gestalten oder zu vereinfachen wird das Managen des Unternehmens mit der Zeit immer komplexer und wird unweigerlich an seine Grenzen stoßen.
Manche Personen sind sehr gut darin, Dinge und Prozesse zu vereinfachen. Doch es gibt auch Experten, die jede Situation komplex und umständlich gestalten... Meist handelt es sich um Personen, die gut darin alle Details eines Problems zu erkennen. Beide sind deshalb wichtig. Doch am Ende muss eine einfache Entscheidung getroffen werden, einfache Prozesse, Programme, Kommunikationen… weniger ist mehr!
Delegieren
Sehr oft höre ich die Aussage "ich würde ja mehr delegieren, aber…". Einerseits ist es richtig, nur dann zu delegieren wenn kein „aber“ besteht, denn sonst kann es verheerende Folgen haben. Doch andererseits muss man die Kunst des Delegierens beherrschen, denn sonst bremst man das Unternehmen im Wachstum: Wenn man es selber nicht schafft mit der Firma zu wachsen, und dafür ist Delegation notwendig, werden diesen Platz auf dem Markt andere einnehmen und einen selber am Ende vielleicht sogar gänzlich vom Markt vertreiben. Um richtig und effektiv delegieren zu können, ist es notwendig, dass die richtigen Personen auf den richtigen Funktionen sitzen. Mehr zu diesem Thema finden Sie im Abschnitt Strukturieren.
Doch nicht nur die richtigen Personen sind wichtig. Man muss auch wissen, was und wann man delegieren sollte. Die Entscheidung über das wann sollte getroffen werden, bevor man überfordert ist, die eigenen Verantwortungen nicht mehr erfüllen kann, nicht mehr gemäß den Werten des Unternehmens arbeitet oder die geplanten Rocks (Prioritäten für die nächsten 90 Tage) nicht beenden kann.
Und die Frage nach dem was delegieren...? Um dies entscheiden zu können empfehle ich, zunächst eine Liste mit allen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu erstellen und diese auf einem Blatt in die folgenden vier Abschnitte aufzuteilen:
- Mache ich sehr gerne & mache ich sehr gut
- Mache ich gerne & mache ich gut
- Mache ich ungerne & mache ich gut
- Mache ich ungerne & mache ich nicht gut
Leider leben und arbeiten die meisten Personen in der Gruppe 3: mache ich ungerne, doch ich mache es gut. Aus diesem Grund entsteht häufig Unzufriedenheit am Arbeitsplatz und die entsprechende Person kommt nicht voran im Unternehmen, da das natürlich nicht unbemerkt von Vorgesetzten und Mitarbeitern bleibt.
Nachdem die entsprechenden Aufgaben klassifiziert wurden, rate ich Ihnen Möglichkeiten und Wege zu finden, die Aufgaben der Gruppen 3 und 4 zu delegieren, damit Sie sich auf die Aufgaben der Gruppen 1 und 2 fokussieren können, die Sie optimal ausführen und Spaß dran haben.
Vorausschauen
Die Fähigkeit, vorausschauen zu können hilft dabei, zukünftige Probleme zu verhindern und aktuelle Probleme zu lösen und ermöglicht, dass das Unternehmen auf solider Basis vorankommt. Hier unterscheide ich zwischen kurzfristiger und langfristiger Voraussicht.
Langfristig bezieht sich auf die Vision des Unternehmens, es muss klar sein, wohin die Reise geht damit sich das Unternehmen an dieser Vision orientieren kann. Das ist nicht das bekannte Mission oder Vision Statement, was Jim Collins in seinem Buch Build to lasttreffend als eine Mischung aus Werten, Ideologie, Wünschen, Einstellungen und Bestrebungen darstellt. Die Vision ist die klare Antwort auf 8 einfache Fragen.
Um den Sinn einer klaren Vision für die Firma zu erklären, greife ich gerne auf die Analogie einer Reise zurück: Man steigt erst in das Auto ein, sobald man weiß, wohin es eigentlich gehen soll. Normalerweise wissen alle im Auto, wo die Reise hinführt oder spätestens wenn es losgeht, werden Fragen nach dem Ziel gestellt. An der Arbeit, wo wir den Großteil des Tages und unseres Lebens verbringen, wird das jedoch erstaunlicherweise jedoch nicht so gehandhabt: Die Fahrer (das Management-Team) wissen oft nicht, wohin es geht oder haben unterschiedliche Ideen und die meisten Angestellten haben keinen blassen Schimmer vom Unternehmensziel… fragen aber auch nicht danach.
Sobald das Reiseziel klar ist, sobald man also weiß, wohin es mit dem Unternehmen gehen soll, können die Prioritäten, die Rocks, deutlich besser gesetzt werden. Zurück zur Analogie der Reise im Auto: Wie soll man entscheiden welche Straße man an der nächsten Kreuzung einschlagen soll, wenn man das Ziel nicht kennt…?
Beim Setzen der Prioritäten für die nächsten 90 Tage markiert man einen Rhythmus und macht sich Analyse und Definition zur Gewohnheit: Was konnte in den letzten 90 Tagen erreicht werden? Woran hat es gelegen, dass man nicht alle Prioritäten geschafft hat? Ein Lernprozess setzt ein. Anschliessend werden erneut die Rocks definiert, für die nächsten 90 Tage. Das Unternehmen erreicht mehr, die Personen in der Firma verstehen die Prioritäten besser und es wird Koherenz und Engagement erreicht .
Systematisieren
Systematisierung im Unternehmen ist notwendig, damit der Service oder das Produkt auch weiterhin mit der gleichen Effizienz, Qualität und Schnelligkeit angeboten werden kann wie am Anfang, als das Unternehmen aus wenigen Personen bestand. Wenn ein Unternehmen wächst, steigt die Komplexität wie wir gesehen haben und wenn es keine klaren Prozesse gibt entsteht Inkonsistenz, Unzufriedenheit bei den Kunden und Frustration bei den Angestellten. Das Unternehmen stagniert und stößt an seine Grenzen.
Es geht jedoch nicht darum, alles zu dokumentieren, sondern auch hier, effektiv zu dokumentieren, mittels des Prinzips von Pareto: 20/80. Es werden 20% der Prozesse dokumentiert, die aber 80% der Aktivitäten und Einnahmen repräsentieren.
In vielen Unternehmen wird die Systematisierung der Prozesse vernachlässigt, da der Gründer häufig eine kreative Person mit vielen Ideen ist, aber wenig Wert auf Prozesse legt oder sich dabei gelangweilt fühlt. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist es absolut notwendig, das Unternehmen zu systematisieren, um das Potenzial des Unternehmens ausschöpfen zu können.
Strukturieren
Systematisieren und strukturieren. Klingt sehr ähnlich, sind jedoch zwei verschiedene Dinge. Strukturieren bezieht sich auf die Struktur des Unternehmens, auf die Funktionen und Verantwortlichkeiten. Systematisieren, wie eben gesehen, auf die Prozesse.
Im Allgemeinen gibt es zwei mögliche Quellen für Probleme:
Die Funktionen sind nicht klar definiert. Das heißt, dass die Struktur des Unternehmens nicht die richtige ist (auch hier die erste Regel beherzigen: vereinfachen). Es ist notwendig, das Organigramm für Verantwortlichkeiten regelmäßig zu überarbeiten (mindestens einmal im Jahr), um zu überprüfen ob die vorhandene Struktur noch die richtige ist, um das Unternehmen voranzubringen.
Die Verantwortlichkeiten sind nicht klar definiert. In einem Unternehmen, in dem die Struktur gut definiert ist, muss keiner fragen "wer macht das?", denn alle Funktionen und Verantwortlichkeiten sind definiert. Man weiß, wen man zu beglückwünschen hat für gute Resultate oder mit wem man sprechen muss, wenn es nicht so gut läuft.
Hier geht’s lang
Diese 5 Fähigkeiten richtig und konsequent angewandt vom Management-Team des Unternehmens werden helfen, eine Stagnation zu verhindern. Es sind, wie gesagt, keine komplexen Vorschläge, aber es erfordert viel Disziplin ein Experte in allen 5 zu sein.
Wo soll man also am besten anfangen?
Jedes Unternehmen ist unterschiedlich mit unterschiedlichen Herausforderungen, trotzdem will ich Klarheit schaffen:
Es mag entgegen der Intuition sein, doch ich empfehle, mit der Struktur zu beginnen, das heißt, bei den Personen. Mit EOS haben wir es schon bei mehr als 4.000 Unternehmen so gemacht und folgen dem Erfolgsautor Jim Collins: people first (zuerst die Personen). Mit den richtigen Personen werden die Ziele erreicht. Doch wenn die Struktur wackelt, wenn die Personen ihre Verantwortlichkeiten nicht verstehen, sich nicht darum kümmern oder nicht fähig sind, sich diesen zu stellen, dann ist es sehr schwierig eine klare Vision aufzustellen und an das gesteckte Ziel zu gelangen.
Manchmal bedarf es schwieriger und mutiger Schritte, die richtige Struktur zu schaffen, aber es ist die Grundlage die Vision des Unternehmens zu erreichen.
Für die anderen vier Fähigkeiten ist nie ein schlechter Moment. Wie das chinesische Sprichwort sagt: Der beste Augenblick, einen Baum zu pflanzen war vor 10 Jahren, der zweitbeste Moment ist heute.
Nächste Schritte...
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