Hören Sie Ihrem Team richtig zu?

Gutes Zuhören ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die Unternehmer und Führungskräfte brauchen, um erfolgreich zu sein. In der Anfangszeit eines neuen Unternehmens ist es besonders wichtig, Kunden und potentiellen Kunden zuzuhören. So erfährt man, was sie sich wünschen, wie sie unser Produkt oder unsere Dienstleistung wahrnehmen und wie sie sich fühlen, wenn sie mit uns Geschäfte machen.

 Wächst das Unternehmen, dann leitet der Gründer es meist auch weiterhin, doch seine Distanz zu den Kunden nimmt stetig zu. Zwischen Unternehmer und Kunden bauen sich mehr und mehr Management-Level auf; wenn ein Unternehmen eine Größe von 50 Mitarbeitern erreicht oder überschreitet, hat der Gründer häufig überhaupt keinen direkten Kundenkontakt mehr. Und trotzdem ist es nach wie vor sehr wichtig, zuzuhören.
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Nur dass man jetzt anderen Personen zuhören muss: den Teammitgliedern.

Wenn ein Unternehmen wächst, sind die Führungskräfte zunehmend von den Vorboten von Problemen und Chancen abgeschottet. Je stärker das Team wächst, desto größer wird die Distanz. Umso wichtiger ist die Fähigkeit, richtig zuhören zu können.

Im Mittelpunkt dieser Herausforderung für CEOs und Führungskräfte steht das Paradoxon, dass bei ihnen in der Regel die meisten Kommunikationswege des Unternehmens zusammenlaufen. Doch die Informationen, die sie erreichen, sind oft verzerrt. Alarmsignale werden verharmlost, Kritik kommt nicht an, Daten werden grundsätzlich positiv ausgelegt... Ein weiterer Grund dafür, richtig zuzuhören.

Die nachfolgenden fünf Lektionen zum richtigen Zuhören basieren auf Interviews mit über 600 CEOs. Bevor wir loslegen noch eine wichtige Erkenntnis vorab: Richtiges Zuhören erfordert viel mehr Mühe und Anstrengung, als die meisten Führungskräfte glauben.


1. Hierarchie weniger ernst nehmen

„Hierarchie ist ein notwendiges Übel, um Komplexität in den Griff zu bekommen“ , so Mark Templeton, ehemaliger CEO von Citrix. Hierarchie sollte nur zwei Funktionen haben, und zwar folgende:

  • Klarheit über Verantwortlichkeiten schaffen: Wer ist wofür zuständig
  • Klarheit über Reporting-Strukturen: Wer ist wessen Vorgesetzter
Organigramm - so bitte nicht

Unternehmen, die großen Wert auf Titel legen und in denen Machtkämpfe stattfinden, haben ein Problem: Kommunikationsflüsse werden abgeschnitten und die Möglichkeiten, gut zuzuhören, nehmen ab, auch wenn man es noch sehr versucht.

Für Lösungsvorschläge zu diesen Themen lege ich Ihnen folgende Artikel ans Herz: Zum einen über die verschiedenen Führungsstile und zum anderen das Unternehmensorganigramm.

  

2. Auch schlechte Nachrichten müssen erlaubt sein

Jeder kennt den Ausdruck „Töte nicht den Boten“. Ob das in der Praxis umgesetzt wird, ist allerdings eine andere Frage. Wenn ein Teammitglied gesteht, Mist gebaut zu haben und Sie es knurrend oder erbost  empfangen, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit ungemein, dass er oder sie in Zukunft transparent kommunizieren wird.

Penny Pritzker, ehemalige Handelssekretärin (2013-2017) der USA, sagte zu ihrem Team: „Wenn Sie gefeuert werden möchten, gibt es zwei sichere Wege: Der erste ist lügen, betrügen oder stehlen. Der zweite: Schlechte Nachrichten verschweigen.

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Damit es einen Kommunikationsfluss von sowohl positiven wie negativen Informationen gibt, muss man auch schlechte Nachrichten zulassen und würdigen, anstatt ihren Überbringer zu bestrafen.


3. Schützen Sie sich vor blinden Flecken

Keiner weiß, was er nicht weiß. Ein sehr einfacher und dennoch tiefgründiger Satz. Ich persönlich muss zugeben, dass ich heute den Eindruck habe, dass ich viel weniger weiß, als ich vor zehn Jahren glaubte, nicht zu wissen. Nur dass ich damals viel weniger wusste... Oder anders ausgedrückt, je mehr ich weiß, desto klarer wird mir, dass ich sehr wenig weiß.

Es ist die Pflicht einer Führungskraft, die Personen zum Sprechen zu bringen, die zu ihrem Team gehören. Wenn Sie eine Unternehmenskultur geschaffen haben, in der sich die Personen nicht trauen, Ihre Entscheidungen in Frage zu stellen, wenn in Meetings Schweigen herrscht oder alle Ihrer Meinung zu sein scheinen bzw. keine zu haben, dann sind Sie äußerst gefährdet, Ihre blinden Flecken nicht zu erkennen.

Die Voraussetzung dafür, dass Menschen mit ihrem Vorgesetzten sprechen und ihm blinde Flecken aufzeigen, ist Vertrauen. Vertrauen darin, offen sprechen und sich verletzlich zeigen zu können. Hier finden Sie einen Artikel über Vertrauen im Team mit dem Modell von P. Lencioni



4. Schaffen Sie ein Frühwarnsystem

In jedem Unternehmen laufen tausende Dinge gleichzeitig ab. Ein Unternehmen ist nicht kompliziert, sondern komplex, und das bedeutet, dass es unmöglich ist vorherzusagen, was als nächstes passieren wird. Das wiederum birgt die Herausforderung, dass Planungen und Prognosen niemals komplett zutreffen. Was heute funktioniert hat, tut es schon morgen vielleicht nicht mehr. Deshalb liegt bei der Führungskraft die Verantwortung dafür, ein System zu schaffen, in dem es erlaubt und möglich ist, jederzeit die Hindernisse, Herausforderungen oder Probleme aufzuzeigen, die zu eben diesem Zeitpunkt vorliegen. Ein Frühwarnsystem.

Viel zu oft bringt ein Teammitglied etwas zur Sprache, wiederholt es später aber nicht mehr, weil es ja schon gesagt wurde. Und die Führungskraft erfährt es erst dann, wenn der Schaden bereits immens ist.

Ein Warnsystem können Sie mit Hilfe der richtigen Meetings und Issue-Listen mit Methode aufbauen.


5. Ohne Hintergedanken oder Wertung zuhören

Bestsellerautor Patrick Lencioni beschreibt fünf Ebenen des Zuhörens. Nachfolgend sehen Sie die fünf Ebenen und dazu eine kurze Erklärung des Gemütszustandes des Zuhörenden.

  1. Gesprächspartner ignorieren
    Zuhörer: Denkt an andere Dinge; glaubt, dass er die Antwort schon weiß

    2. Zuhören vortäuschen
    Zuhörer: Multitasking, tut mehrere Dinge gleichzeitig

    3. Selektiv zuhören
    Zuhörer: Hört nur, was er hören will, konzentriert sich ausschließlich auf jene Dinge, die ihn selbst betreffen

    4. Aufmerksam zuhören
    Zuhörer: Möchte eine Verbindung herstellen und den Gesprächspartner verstehen

    5. Empathisch zuhören
    Zuhörer: Die eigenen Bedürfnisse treten in den Hintergrund, um die Perspektive des anderen wirklich zu verstehen

Seien wir einmal ehrlich: In den meisten Fällen hören die meisten von uns auf Stufe eins, zwei oder drei zu, ohne die notwendige Energie und Aufmerksamkeit aufzubringen. Wenn man beim Zuhören die Antwort bereits im Kopf hat oder eine klare Vorstellung vom Ergebnis der Unterhaltung vorgefertig ist, hört man nicht richtig zu und zerstört dadurch den Prozess des guten Zuhörens.

Eine hilfreiche Abkürzung lautet hier WAIT, sie steht für Why Am I Talking (Warum rede ich). Der Gedanke dahinter: Als Führungskraft sollte man in einem Gespräch die Abkürzung präsent haben und dadurch weniger sprechen und stattdessen mehr und besser zuhören.


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6. Input proaktiv einfordern

Wer sich in seinem Büro verschanzt und darauf wartet, dass die Informationen von selbst kommen, wird auf dem Gebiet des Zuhörens keine guten Ergebnisse erzielen. Ohne jeden Zweifel sorgt diese Elfenbeinturm-Mentalität für Diskrepanzen zwischen den Informationen, die ankommen, und der Realität.

proactivo o reactivo

Um das zu vermeiden, empfehle ich, eine Liste mit den wichtigen Gruppen im und um das Unternehmen anzulegen (Kunden, Zulieferer, Mitarbeiter nach Abteilungen etc.), von denen Sie informiert werden möchten, und den Informationsfluss zu systematisieren. Das kann auch bedeuten, alle X Monate einen Tag im Kundenservice mitzuarbeiten, durch die Gänge zu spazieren, eine Fabrik zu besuchen... Und dabei mit den Menschen zu sprechen, sie nach ihrer Meinung zu fragen und wie oben beschrieben auf Stufe fünf zuzuhören.


Sind Sie bereit zuzuhören?

Zuhören ist nicht einfach. Weder für Introvertierte noch für Extrovertierte: Introvertierte hören öfter und besser zu als Extrovertierte, doch für sie ist es schwierig, sich überhaupt mit Menschen zu umgeben. Für Extrovertierte gilt genau das Gegenteil. Sie sind gerne unter Menschen, doch das Zuhören fällt ihnen schwer.

Eine gute Führungskraft muss den Eindruck erwecken, bei der Kontaktaufnahme extrovertiert und in der Unterhaltung introvertiert zu sein.

Nachdem Sie nun den Artikel gelesen haben: Wie bewerten Sie sich selbst im Fach Zuhören auf einer Skala von 1 bis 10? Und was glauben Sie, welche Note Ihnen die Personen geben, denen Sie zuhören wollen und müssen? Und Ihre Freunde, Ihr Partner oder Ihre Kinder?

Zuhören muss bei jedem, der eine gute Führungskraft sein möchte oder sein muss, auf der Tagesordnung stehen. Zuhören erfordert ständige Bemühung und Aufmerksamkeit.

Doch ohne jeden Zweifel ist die Belohnung dafür ein glücklicheres, effizienteres Team.

Nächste Schritte...

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