Druck oder gute Stimmung: Wann braucht man was?

Vor zwei Wochen war ich anlässlich des Quartalsmeetings der EOS-Implementer aus aller Welt (QCE) in Detroit und wir debattierten über die Frage: Wieviel Druck muss oder darf man auf ein Team ausüben, um die größtmögliche Leistung aus ihm herauszuholen?

Das erinnerte mich an eine Zeit im Jahr 2013, in der in meinem eigenen E-Commerce-Unternehmen unglaublicher Druck herrschte. Durch eine Änderung des Algorithmus von Google verloren wir von einem Tag auf den anderen 30% des Website-Traffics und dementsprechend viel Umsatz. Eine bedrohliche Situation für das Unternehmen.

presion o buen rollo

Wir versammelten umgehend das Management-Team und diskutierten offen und ehrlich über die Maßnahmen, die getroffen werden mussten, und die nötigen Anpassungen. Es waren sehr harte Wochen für das Unternehmen. Als Anführer beschloss ich, einen kühlen Kopf zu bewahren: Ich analysierte die Fakten mit meinem Team und wir suchten gemeinsam nach Lösungen. Ich blieb stark und ließ mir nicht anmerken, dass ich fürchtete, dass das ganze Unternehmen pleite gehen und viele Mitarbeiter auf der Straße landen könnten. Damals ließ ich mich von meiner Intuition leiten; beim QCE in Detroit vor zwei Wochen erfuhr ich die wissenschaftlichen Grundlagen dazu, welches die beste Vorgehensweise ist und wie Druck und Angst uns beeinflussen.

Zahlreiche Studien wie zum Beispiel das Kerzenproblem haben gezeigt, dass das Gehirn aufhört, kreativ und weiträumig zu denken, wenn man unter Druck steht. Der freeze, fight or fly-Modus (Erstarren, Kämpfen oder Fliehen) setzt ein. Er ist das Resultat der Evolution und hat sich über Jahrmillionen entwickelt, ein Überbleibsel von unseren Vorfahren, die in Höhlen lebten und mit Säbelzahntigern zu kämpfen hatten.

Bei Stress schießt die Adrenalinproduktion in die Höhe und der Körper bereitet sich auf den Angriff des Tigers vor. Doch heutzutage ist das nicht mehr wünschenswert; vielmehr muss man in der modernen Geschäftswelt angesichts von Notfällen oder Problemen ruhig Blut bewahren und Geschick und Kreativität an den Tag legen, um Lösungen zu finden. Kämpfen, Erstarren oder Fliehen sind da nicht genug. Bei den Tigern von heute sind andere Lösungen und andere Reaktionen unseres Körpers gefragt. Doch darauf ist er nicht vorbereitet. Genau in diesen Momenten ist es unsere Pflicht als Anführer, eine Atmosphäre und ein Umfeld zu schaffen, in denen die Personen kreativ sein und optimale Leistung bringen können, um das Problem so effektiv wie möglich anzugehen.

tigre de sable

Das richtige Umfeld schaffen

Wie also sorgen Sie für das richtige Umfeld, damit Ihr Team trotz Stress, Problemen und Eile möglichst effektiv arbeitet? Bei Ihnen als Anführer liegt die Verantwortung, ein solches Umfeld aufzubauen, in dem jeder einzelne die optimale Leistung erbringen kann. Ein Modell, das für diesen Zweck sehr nützlich ist, heißt S.C.A.R.F. Weiter unten gehe ich auf den Namen und seine Bedeutung ein, doch zunächst möchte ich Ihnen noch die Leiter des Wohlbefindens vorstellen.

Die Leiter des Wohlbefindens

Die Leiter des Wohlbefindens ist die Basis, um zu verstehen, warum es den Teammitgliedern gut gehen muss, warum sie sich sicher und geschätzt fühlen müssen, um komplizierte oder komplexe Situationen bewältigen zu können.

Ganz unten auf der Leiter befinden sich negative Gefühle wie Sorgen, Ängste, Stress, Wut oder Verbitterung. Wenn man diese verspürt, sendet der Hypothalamus, ein Teil unseres Gehirns, den Befehl, Kortison auszuschütten – ein Hormon, das uns auf den Kampf vorbereitet: Angreifen oder Fliehen. Wann ist das wünschenswert? Es ist ein negativer Zustand, der sogar gesundheitsschädigend sein kann, wenn er länger andauert. Deshalb ist er nur für kurze Zeitspannen zu empfehlen, beispielsweise wenn eine sehr knappe Deadline ansteht. Damit das klappen kann, müssen alle notwendigen Aufgaben einfach und klar definiert sein. Auf gar keinen Fall können auf diese Weise komplexe Probleme angegangen oder Kreativität eingefordert werden. Das Kommando „Seien Sie JETZT kreativ!“ funktioniert nicht...

Leiter des Wohlbefindens

Stattdessen muss das Team in wissensbasierten Unternehmen mit wechselnden Anforderungen vielmehr die meiste Zeit aufnahmefähig, gemeinschaftlich und kreativ arbeiten.

Dazu muss man auf der Leiter des Wohlbefindens den oberen Teil erreichen, wo Gefühle wie Hoffnung, Freude und Liebe zu finden sind. Wenn das Gehirn diese verspürt, schüttet es Oxytocin aus, das auch Glückshormon genannt wird und mit Sex in Verbindung steht. Hier geht es aber nicht um Sex, sondern um die positiven Auswirkungen, die es auf die Arbeit im Büro hat: Es steigert das Selbstbewusstsein, macht uns kreativer und verbessert unsere sozialen Kompetenzen. All dies sind positive Effekte, durch die ein Team in die Lage versetzt wird, die Herausforderungen einer Umgebung mit ständigen, schnellen Veränderungen zu bewältigen, vor denen heutzutage alle Unternehmen stehen.


Auf der Leiter nach oben

Wie also gelingt es, auf der Leiter nach oben zu klettern, damit das Team besser gerüstet, kreativer und partizipativer wird? Hier kommt das S.C.A.R.F.-Modell ins Spiel. Die Abkürzung stammt aus dem Englischen, lässt sich aber auch leidlich ins Deutsche übertragen.

Status

  • Der Buchstabe S des Modells steht für Status, dafür, dass sich die Personen wichtig fühlen. Vielleicht denken Sie dabei zuallererst an Titel und Gehälter, aber das trifft so nicht zu. Wenn allzu oft über diese Themen gesprochen wird, dann liegt das daran, dass sie der einzige Weg sind, um die gewünschte Bedeutung zu erlangen. Gemeint ist, dass man die Personen ernst nehmen und offen und ehrlich nach ihrer Meinung fragen sollte und diese dann auch in Betracht zu ziehen. Lassen Sie sie an Entscheidungen teilhaben, schätzen Sie ihre Beiträge und erkennen Sie diese an.

Certainty (Gewissheit)

  • Gewissheit bedeutet, einen Plan zu haben: Prozesse, Systeme und klare Vorstellungen Klarheit darüber, was, wie und warum getan wird. Dabei kann Ihnen die EOS-Methode zur Unternehmensführung helfen. Es ist wohl wahr, dass wir in einer Zeit der Unsicherheit und ständiger, rasanter Veränderungen leben, und da ist es schwer, Gewissheit über die Zukunft zu haben. Umso größer ist die Notwendigkeit, auf eine Methode zurückzugreifen, mit der man dieser Ungewissheit begegnen kann.

Autonomie

  • Autonomie verspürt, wer die Macht hat, innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs Entscheidungen zu treffen und generell ein Gefühl von Kontrolle über die eigenen Aufgaben und Tätigkeiten hat. Hier empfehle ich die Methode der Rocks und die Erstellung eines Organigramms der Verantwortlichkeiten. Sie sind hinter jeder Person und jeder Entscheidung her, möchten alles wissen, was entschieden wird und kein Meeting findet ohne Ihre Anwesenheit statt? Wie viel Autonomie lassen Sie den Personen in Ihrem Unternehmen? Haben Sie die Personen, die Sie brauchen, um delegieren und Autonomie abtreten zu können, und müssen die Zügel etwas lockerer lassen?

VeRbindung

  • Hier geht es darum, den Personen ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe zu vermitteln. Erst wenn wir uns als Teil einer Gruppe empfinden, werden wir mutiger, wagen wir es, Ideen beizutragen und offen und ehrlich zu sprechen. Da helfen Gemeinschaftsbereiche wie eine offene Küche, in der Austausch und Kommunikation erwünscht sind, auch wenn es nicht immer um Berufliches geht. Auch Teambuilding-Events leisten einen wichtigen Beitrag. Das Zugehörigkeitsgefühl kommt nicht ausschließlich durch Projektmanagement oder Datenanalysen auf, sondern dann, wenn emotionale Bindungen entstehen. Dazu ist es sehr hilfreich, eine klare Vision für das Unternehmen zu haben, einen Sinn, mit dem sich die Personen identifizieren können.

Fairness

  • Und last but not least, Fairness. Wie gerecht ein Unternehmen die Personen behandelt, oder in anderen Worten: Es gelten Regeln, und zwar dieselben für alle, einschließlich der Führungskräfte und Firmenchefs. Wenn außer den Bossen alle hart arbeiten müssen, läuft etwas schief (siehe dazu der Artikel über die Besonderheiten erfolgreicher CEOs). Wenn sich die Personen nicht gerecht und fair behandelt fühlen, entstehen schnell Wut und Verbitterung, und sie rutschen auf der Leiter des Wohlbefindens nach unten. Das Ergebnis ist genau das Gegenteil von dem, was man beabsichtigt.

Das ist also das S.C.A.R.F.-Modell: Die Personen mit Respekt behandeln und ihre Bedeutung anerkennen, einen Plan für das Unternehmen verfolgen, die richtigen Personen an Bord haben und ihnen Freiraum gewähren, Prozesse und Methoden schaffen, damit sich alle zugehörig fühlen, und alle gerecht behandeln.

Druck oder gute Stimmung

Nun liegt es bei Ihnen, zu entscheiden, was Sie von Ihren Leuten brauchen:

  • Kreativität, Kommunikation und Aufrichtigkeit
  • oder Fokus, Effizienz und Ausführung.

Je nach den aktuellen Anforderungen können und müssen Sie Ihren Führungsstil anpassen, um das zu erreichen, was Sie wollen. Das kann von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein, aber auch von einem Meeting zum nächsten oder von einer Aufgabe zur anderen.

Bedenken Sie dabei stets, dass man Wohlbefinden nicht auf die Schnelle schaffen kann, vielmehr muss dies eine fortlaufende Aufgabe der Führungskräfte sein. Fokus und Ausführung dagegen können kurzzeitig umgesetzt werden. Meine Empfehlung lautet daher, mit Hilfe des S.C.A.R.F.-Modells eine Grundlage des Wohlbefindens zu schaffen und nur in Ausnahmesituationen Druck ausüben, wenn dies erforderlich ist.

So erreichen Sie mehr mit dem Unternehmen, weil Sie mehr aus den Personen herausholen.

Wo beginnen Sie, mit Ihrem Unternehmen die Leiter des Wohlbefindens zu erklimmen?

Nächste Schritte...

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