Vertrauen zu definieren, so erhält man wahrscheinlich ähnliche Antworten, und auch der Grad des Vertrauens kommt zur Sprache. Man kann es wie folgt definieren:
Unterwegs in Marrakesch
Als Beispiel zum Thema Vertrauen hier eine Geschichte von einer Reise nach Marrakesch, die ich vor Kurzem unternommen habe. Wir wohnten in einem wunderschönen Riad im Stadtzentrum und machten uns bei Einbruch der Dunkelheit auf in die Souks, die Seele von Marrakesch, den Markt, wo es tagsüber von Aktivität nur so wimmelt. Doch gegen Abend waren nicht mehr viele Leute unterwegs und es war kaum noch etwas los. Die Straßen dort sind so eng, dass man beide Wände berühren kann, wenn man die Arme ausstreckt. Was tagsüber wunderschön ist, wirkt nachts bedrückend.
An einer Kreuzung blieben wir kurz stehen und überlegten, welchen Weg wir in diesem Labyrinth einschlagen sollten. Da näherte sich uns ein gestikulierender Mann, der auf uns einredete. Sofort stellten sich meine Nackenhaare auf und wir rannten davon. Doch der Mann rief uns noch weiter hinterher.
Als wir endlich aus den Souks herauskamen, blieben wir stehen und bemerkten, dass mein Rucksack komplett offen war. Höchstwahrscheinlich wollte uns der Mann darauf hinweisen. Aber wir hatten kein Vertrauen, nachts und allein im dunklen Labyrinth von Marrakesch. Wir dachten, dass er uns etwas verkaufen oder uns irgendwohin bringen wollte, oder noch Schlimmeres!
In einer Stadt wie München, Wien oder Zürich wären wir sicherlich stehen geblieben, um zu erfahren, was dieser Mann von uns wollte. Weil wir mehr Vertrauen in die Stadt, den Ort, die Person gehabt hätten.
Arten und Stufen von Vertrauen
Wenn man von Vertrauen spricht, muss man unterscheiden zwischen dem Vertrauen unter Freunden, gegenüber einer fremden Person oder einem Politiker. Zur Erläuterung der verschiedenen Arten von Vertrauen stütze ich mich auf Stephen R. Covey und sein bekanntes Werk The Speed of Trust, in dem er fünf verschiedene Arten von Vertrauen beschreibt:
1. Selbstvertrauen
Vertrauen beginnt zuallererst bei uns selbst. Ein Mangel an Vertrauen in uns selbst wirkt sich unmittelbar auf die Fähigkeit aus, anderen zu vertrauen. Deshalb müssen wir uns fragen: Vertrauen wir darauf, dass wir unsere Ziele erreichen, unsere Versprechen halten und mit gutem Beispiel voran gehen können?
Es gibt vier Säulen des Selbstvertrauens:
2. Vertrauen in Beziehungen.
Um bei anderen Personen Vertrauen zu wecken, müssen wir uns zunächst einmal selbst vertrauen. Wie sollen andere mir vertrauen, wenn ich das nicht selbst tue und/oder diesem Vertrauen nicht Ausdruck verleihen kann? Zwischenmenschliche Beziehungen vergleiche ich gerne mit einem Bankkonto. Mit jeder positiven Aktion, die wir für die andere Person tun (dabei ist es wichtig, dass der andere es auch so wahrnimmt und nicht nur wir selbst), zahlen wir Vertrauen auf das Vertrauenskonto ein. Mit jeder negativen Handlung sinkt das Guthaben des Kontos, Vertrauen wird abgezogen. Die Einzahlungen sind immer klein und der Kontostand nimmt langsam zu. Abgehoben werden dagegen leider stets große Mengen.
Damit andere uns vertrauen können, müssen wir zunächst in unser Bankkonto einzahlen. Dafür ist konsequentes Verhalten entscheidend.
3. Vertrauen in Organisationen (Unternehmen)
Mit Organisationen meine ich hier Unternehmen, aber es könnten genauso gut Sportmannschaften, Vereine o.ä. sein.
Man kann in einem Unternehmen arbeiten, in dem zwar Vertrauen zwischen den Personen – also in die Beziehungen – herrscht, es jedoch an Vertrauen in die Organisation selbst fehlt. Eine grundlegende Aufgabe von Führungskräften, CEOs und Managern ist es, Vertrauen in ihr Unternehmen zu schaffen, um nicht Energie und Geld zu verlieren. Damit das gelingt, müssen das Unternehmen und die Personen an einem Strang ziehen und Strukturen und Systeme geschaffen werden, die dieses Ziel stützen. In diesem Zusammenhang ist Transparenz ein grundlegendes Tool.
Eine Studie von Watson Wyatt aus dem Jahr 2002 ergab, dass die Gesamtrendite für Aktionäre in Gesellschaften mit einer stark von Vertrauen geprägten Unternehmenskultur dreimal so hoch war wie in anderen Firmen. 300 %!
4. + 5. Vertrauen im Markt und in der Gesellschaft
Bei der vierten und fünften Art von Vertrauen handelt es sich um das Vertrauen im Markt (also den Ruf einer Marke auf dem Markt) und das Vertrauen der Gesellschaft im Allgemeinen.
Der Preis mangelnden Vertrauens
Ich habe CEOs getroffen, die sagten, es sei nicht so wichtig, das Vertrauen der Mitarbeiter im Unternehmen zu gewinnen, solange diese ihre Arbeit machten. Auf den ersten Blick lässt sich das nur schwer widerlegen.
Sicher kennen auch Sie Personen, denen Sie nur die Hälfte von dem glauben, was sie sagen. Diese Personen erzählen Ihnen ein Erlebnis oder eine Geschichte, und im Geiste ziehen Sie direkt 30% ab, weil Sie wissen, dass sie übertreiben, dass sie Dinge mit einfließen lassen, die nicht stimmen, dazu erfinden oder dick auftragen. Sie haben kein Vertrauen in diese Person.
Dieser Prozentsatz, den wir abziehen, ist die Vertrauenssteuer.
Sehen wir uns einmal an, wie sich diese Vertrauenssteuer auf Unternehmensergebnisse auswirkt. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei den Ergebnissen eines Unternehmens um eine Kombination von Strategie und Umsetzung. Wer ohne Strategie umsetzt, erreicht nichts, und mit einer vortrefflichen Strategie ohne Umsetzung kommt man nicht vorwärts. Wenn beide Komponenten vorhanden sind, erzielt man Ergebnisse. Deshalb gilt: Strategie x Umsetzung = Ergebnis.
In dieser Formel fehlt aber noch die Vertrauenssteuer, der Preis, den man bezahlt, wenn man weniger effektiv ist und nicht am selben Strang zieht. So erhält man folgende Gleichung, die den wahren Preis von fehlendem Vertrauen aufzeigt:
(Strategie x Umsetzung) x Vertrauen = Ergebnis
Hier wird klar: Auch wenn man eine tadellose Strategie hat und Experte in der Umsetzung ist, kann es sein, dass ein weniger optimiertes Unternehmen, in dem jedoch eine Vertrauenskultur herrscht, bessere Ergebnisse erzielt. Anders gesagt ist es unglaublich wichtig für ein Unternehmen, in Vertrauen zu investieren, und zwar zunächst in Vertrauen in das Management-Team, das den Rhythmus für den Rest des Unternehmens vorgibt.
Coveys Studien ergaben, dass die Vertrauensvariable in der obenstehenden Gleichung gut und gerne zwischen 60 % und 120 % schwanken kann. Das bedeutet, dass ein Unternehmen mit wenig Vertrauen um 40 % schlechtere Ergebnisse erzielt. Im entgegengesetzten Fall können dafür in einer von ausgesprochenem Vertrauen geprägten Unternehmenskultur die Ergebnisse um bis zu 20 % besser ausfallen.
In seinem Buch The Five Dysfunctions of a Team erklärt Patrick Lencioni die fünf Hindernisse, die ein Team bewältigen muss, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Hürde Nummer eins ist das Fehlen von Vertrauen im Team und insbesondere von Vertrauen in das Management-Team. Die Folge von mangelndem Vertrauen zwischen den Personen ist, dass diese sich nicht verletzlich geben wollen. Das wiederum führt dazu, dass Fehler nicht eingestanden und Zweifel nicht geäußert werden, innovative Vorschläge werden zurückgehalten usw. Und wenn zwischen den Teammitgliedern kein Vertrauen herrscht, ist es unmöglich, beim Streben nach Resultaten die nächste Stufe der Pyramide der Unternehmenseffizienz zu erreichen.
Das Vertrauen messen im Unternehmen
Ich bin der Meinung, dass wir alle mehr oder weniger genau Bescheid wissen, welches Vertrauensniveau es in unserem Unternehmen gibt. Was Überwindung und Mut kostet, ist die Bereitschaft, ehrlich zu sich selbst zu sein und sich einzugestehen, welcher Zustand im Unternehmen oder in der Abteilung herrscht.
Nachfolgend finden Sie einige Beispiele für Verhaltensweisen und Anzeichen von Firmen mit und ohne Vertrauen:
Fehlendes Vertrauen
Vertrauen vorhanden
Mein Rat: Nehmen Sie sich unter Berücksichtigung dieser Aspekte fünf Minuten Zeit, um über Ihr Unternehmen nachzudenken. Was sehen Sie, wie behandeln sich die Personen, herrscht Vertrauen, sind Verbesserungen möglich...?
Steigern Sie das Vertrauen im Unternehmen
Dazu gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte ist, dass es für die Steigerung des Vertrauens keine einfache, schnelle Lösung gibt. Die gute Nachricht lautet, dass es möglich ist und dass dazu Tools und Methoden existieren. Will man das Vertrauen in ein Unternehmen steigern, muss man es auf ein gemeinsames Ziel ausrichten; das Verhalten der Führungskräfte muss sich durch Integrität und Beständigkeit auszeichnen, sie müssen konsequent mit gutem Beispiel vorangehen und mit Handlungen, Entscheidungen und in der Kommunikation kohärent sein. Kein einfacher Weg. Aber ohne jeden Zweifel einer, der sich für ein Unternehmen lohnt. Und außerdem der einzig mögliche Weg, wenn man das gesamte Potential des Unternehmens ausschöpfen möchte.
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