Der digitale Wandel war 2019 die Sorge Nummer eins von Unternehmern und CEOs weltweit, wie das Wall Street Journal meldete. Mir persönlich sind in KMUs schon viele Unternehmer begegnet, die sich Sorgen machen, nicht auf den Zug der Technologie und Digitalisierung aufspringen zu können. Sie spüren die Notwendigkeit, etwas zu ändern, technologischer zu werden, aber sie wissen nicht so recht, wie sie das anstellen sollen. Deshalb wird häufig ein Experte für digitalen Wandel zu Hilfe gerufen, der einen Plan aufstellen soll. Nur um ein paar Monate später festzustellen, dass sich (fast) nichts geändert hat. Zum selben Schluss kommt auch ein Artikel im Forbes Magazine, laut dem geschätzte 70% des Budgets, das in digitalen Wandel investiert wird, einfach verpuffen, ohne die gewünschten Effekte erzielt zu haben. 70 %!! Eine ganz und gar inakzeptable Erfolgsquote für jeden Unternehmer, die gar in den Ruin führen kann...
Wie aber kann man es schaffen und was muss man dafür anders machen?
Digitaler Wandel ist keine Lösung oder ein Ziel für sich selbst. Vielmehr muss er ein Werkzeug sein. Beispielsweise um den Service zu verbessern oder die Zufriedenheit von Kunden oder Mitarbeitern zu steigern. Wenn jedoch die Personen im Unternehmen, angefangen bei den Führungskräften, nicht die richtige Mentalität haben und es beim Management hapert, dann wird ein Vorstoß auf dem Gebiet des digitalen Wandels diese Schwächen nur noch verstärken.
Deshalb sollte ein Unternehmen vor der Umsetzung eines Tools für den ersehnten digitalen Wandel die folgenden sechs Punkte in Betracht ziehen:
Den Weg kennen, bevor man den ersten Schritt macht
Bei Anführern und Management-Teams stoße ich oft auf den Wunsch, Schritte zu tun, voran zu kommen. Das ist an sich positiv, weil es zeigt, dass eine Notwendigkeit zu handeln erkannt wurde. Sie haben beispielsweise einen Workshop oder Vortrag zum Thema artifizielle Intelligenz (A.I.) besucht und kehren mit der Idee und dem Wunsch zurück, ein Tool einzuführen, das in diesem Feld eine Lösung bietet.
Dieser Wunsch ist mehr als nachvollziehbar und auch das Bedürfnis nach unternehmerischer Veränderung sicherlich drängend, doch bevor man loslegt, muss man überlegen: Zunächst muss man sich über die allgemeine Strategie des Unternehmens im Klaren sein. Wo geht die Reise hin? Wo soll das Unternehmen in 3 Jahren stehen? Wie sieht die Vision für das Unternehmen aus?
Wenn man beim Dach mit dem Hausbau beginnt, hat das später Frustrationen zur Folge. Entweder weil sich herausstellt, dass das Tool nicht die gewünschten Ergebnisse liefert oder weil man merkt, dass eine Investition in andere Bereiche besser gewesen wäre.
Egal welcher Grund dahinter steht – am Ende passiert in vielen Fällen das Gleiche: Das Projekt wird abgebrochen, weil die angestrebte Losung nicht überzeugt.
In Unternehmen, die so arbeiten, die Tools ohne Klarheit über die Vision auswählen, gibt es größtenteils gescheiterte Initiativen und sie gehören zu den oben angesprochenen 70 %.
Veränderung kommt von Innen
Wie bereits erwähnt suchen Unternehmen viel zu oft die Lösung außerhalb der Organisation, wenn es eigentlich nicht um Tools geht, sondern um Strategie und Unternehmenskultur. Man engagiert einen digitalen Experten, um irgendein Tool einzuführen und geht davon aus, dass Digitalisierung oder Innovation im Unternehmen dadurch zunehmen werden. Fast immer sind diese Lösungen out-of-the-box (vorgefertigt) und basieren auf bewährten Methoden des Sektors.
Das Problem hier liegt darin, dass ein Experte eben ein Experte ist. In seinem Bereich, in diesem Fall für Digitalisierung. Aber nicht dafür, wie das Unternehmen oder sein Sektor funktioniert. Deshalb ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Experten nötig, aber unter der Leitung der Fachleute innerhalb des Unternehmens.
Zielorientierung statt Toolorientierung
Ein neues Tool, System oder eine neue Software darf nie ein Ziel an sich sein. Generell haben alle Unternehmen folgende fünf Ziele gemeinsam:
Neben diesen fünf Zielen kann es natürlich noch weitere geben. Vor dem Beginn eines jeden Projektes braucht man Klarheit über das oder die Ziele: Was soll erreicht werden und in welchem Maße? Setzen wir uns zum Beispiel das Ziel „Produktivitätssteigerung“, muss auch festgelegt werden, wie groß diese ausfallen soll. Das bedeutet: Man muss sie messen können, um sie anschließend zu steigern.
Viel zu oft verwandelt sich das Tool selbst in ein Ziel und resultiert in endlosen Diskussionen darüber, welche Komponenten bei der neuen Anwendung eingesetzt und installiert werden sollen. Die Antwort darauf ist schwierig und sehr subjektiv, da man nicht weiß, was ein erfolgreicher Projektabschluss überhaupt bedeutet.
Ängste erkennen
In Foren, auf LinkedIn etc. laufen tausende Debatten darüber, an wie vielen Arbeitsplätzen künftig Menschen durch A.I. ersetzt werden. Manche Artikel prophezeien verheerende Auswirkungen und das Ende der Arbeitswelt. Wie 1804, als die Eisenbahn erfunden wurde...
Infolgedessen haben viele Angst vor dem digitalen Wandel, weil sie denken oder befürchten, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Diese Ängste muss man ernst nehmen. Andernfalls endet der Wandel an der Schwelle der ersten Person, die ihn fürchtet.
Der Zeitpunkt des digitalen Wandels ist ein Moment der Innovation und so viele Personen wie nur möglich müssen ihm positiv gegenüber stehen. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um das Team mit Zuckerbrot und Peitsche zu managen. Es ist vielmehr Zeit zum Zuhören, Verstehen, Erklären, Helfen und Weiterbilden. Man muss für jeden Moment den richtigen der 6 Führungsstile zu wählen wissen.
Sollten die Schlüsselpersonen nicht von dem Projekt überzeugt sein, werden sie es blockieren, sobald der Wandel an ihre Türen klopft. Wenn in der Waagschale auf der einen Seite die Transformation des Unternehmens und auf der anderen der eigene Arbeitsplatz liegen, ist die Entscheidung nicht schwer zu erraten.
Um herauszufinden, wie die Personen dem Projekt gegenüberstehen und sie nicht zu einem Ja oder Nein zu zwingen (denn das entspricht einem „entweder sind Sie für mich oder gegen mich”) können Sie die von Sam Kaner entwickelte Einigungsskala verwenden.
Kultur schlägt Strategie
Wandel bedeutet Veränderung: Man wechselt von einem Zustand zu einem anderen. Die allermeisten Menschen sträuben sich gegen Veränderungen.
Bei der Entwicklung einer Strategie, die digitalen Wandel umfasst, darf die Unternehmenskultur nicht auf der Strecke bleiben. Wenn die Unternehmenskultur sie nicht mitträgt, bringt auch die beste Strategie nichts. Kultur schlägt Strategie. Immer.
Der digitale Wandel bringt Veränderungen und Anpassungen auf allen Ebenen der Organisation mit sich. Wandel kann man mit der englischen Abkürzung VUCA gleichsetzen, die in aller Munde ist: Volatility, uncertainty, complexity, ambiguity (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität).
Eine flexible Unternehmenskultur mit dezentralen Entscheidungsprozessen ist daher als solide Grundlage für den Wandel unabdingbar. Andernfalls entstehen Flaschenhälse und es fallen Entscheidungen, die schlecht an spezifische oder lokale Gegebenheiten angepasst sind. Traditionelle vertikale Hierarchien sind ein Hindernis für den Erfolg des digitalen Wandels.
Eine Transformation bedeutet Veränderung: Wechsel von einem Zustand in einen anderen. Bei den meisten regt sich dann Widerstand gegen Veränderungen.
Veränderungsmanagement
Ich möchte noch einmal betonen, dass Wandel gleichbedeutend ist mit großen Veränderungen. Diese muss man managen und nicht hoffen, dass sie von alleine passieren. Damit größere Veränderungen in einem Unternehmen erfolgreich verlaufen, sollte man die acht Schritte beachten, die John Kotter in seinem Buch Leading Change* beschreibt (Amazon):
- Dringlichkeit. Zunächst müssen die beteiligten Personen das Gefühl haben, dass eine gewisse Dringlichkeit für die Veränderung besteht, damit sich eine Bereitschaft dafür entwickelt. Wenn diese nicht bereits durch externe Faktoren vorhanden ist, muss man sie aktiv und proaktiv erzeugen.
- Koalition. Stellen Sie eine Gruppe mit Personen zusammen, die genügend Einfluss und Bedeutung im Unternehmen haben, um den Wandel anzuführen.
- Strategie und Vision. Schaffen Sie die neue Vision (wohin) um den Wandel zu leiten und erarbeiten Sie Strategien (wie), um ihn umzusetzen.
- Kommunikation. Ebenso wichtig: Im Anschluss muss die neue Vision kontinuierlich dem gesamten Unternehmen mitgeteilt werden. Wiederholen Sie sie immer und immer wieder. Die Gruppenkoalition muss mit ihrem Handeln und ihren Entscheidungen als Beispiel dienen.
- Empower (ermächtigen). Erlauben Sie dem Team, Neues und Innovatives auszuprobieren, indem Sie Risiken auf sich nehmen und akzeptieren. Zudem ist es an der Zeit, mögliche Hindernisse zu beseitigen.
- Short-wins. Gerade am Anfang ist es wichtig, schnelle Siege zu erzielen und diese zu feiern. Durch diesen Schritt werden mentale Hürden abgebaut.
- Konsolidieren. Schaffen Sie Glaubwürdigkeit mit mehr Änderungen durch Konsolidierung der bisher umgesetzten Veränderungen.
- Verankern. Geben Sie die erzielten Ergebnisse öffentlich bekannt und betonen Sie den Zusammenhang zwischen den erreichten Verbesserungen und den umgesetzten Veränderungen.
Dieser Prozess scheint auf dem Papier logisch. Und dennoch überspringt man als Anführer von Bedenken angetrieben allzu oft manche Schritte. Dieser Fehler hat einen hohen Preis, denn einen Weg zurück gibt es nicht. Ein typisches Szenario in KMUs ist, dass der Unternehmer die Vision für den Wandel allein in seinem Büro erarbeitet (Punkt 3) und dann sofort zur Tat schreitet (Punkt 7). Ein weiteres typisches Beispiel ist, dass das Management-Team einen Plan aufstellt (Schritt 3) und dann gleich zu Schritt 6 übergeht, also erste Siege feiert.
In solchen Fällen ist die Folge, dass der Wandel im Sand verläuft oder im restlichen Unternehmen auf enormen Widerstand trifft, sodass am Ende nur ein Teil der ursprünglichen Vision auch umgesetzt wird: Die anfangs zitierten 30 %.
* Meines Wissens ist dieses Buch nicht auf Deutsch erhältlich. Ein ähnliches Buch von Kotter ist Das Pinguin-Prinzip (Amazon).
Wo also anfangen?
Wenn für Ihr Unternehmen oder Ihr Team ein Wandel ansteht, dann springen Sie nicht direkt ins kalte Wasser! Schaffen Sie zunächst eine solide Grundlage, damit Erfolg überhaupt möglich ist.
Stellen Sie sich den digitalen Wandel wie eine kleine Pflanze vor, die Sie gekauft haben, um sie in Ihrem Garten oder auf Ihrem Balkon zu pflanzen. Die Unternehmenskultur und -vision sind die Umgebung, in die Sie sie einpflanzen: der Blumentopf, das Klima, regelmäßiges Gießen...
Würden Sie eine Pflanze kaufen, wenn Ihre Blumentöpfe in einem bedauerlichen Zustand wären? Wie lange würde in diesem Fall die Pflanze überleben?
Das Problem ist, dass die Pflanze namens digitaler Wandel sehr teuer ist, sodass Sie sich nicht alle drei Wochen eine neue leisten können.
Die richtigen Schritte sind:
- Erarbeiten Sie eine klare Vision für das Unternehmen. Denken Sie daran: Die Vision treibt Veränderung an. Nicht umgekehrt.
- Stärken Sie die Unternehmenskultur und die passende Mentalität, bevor Tools ausgewählt werden.
- Anschließend setzen Sie die 8 Punkte zum Veränderungsmanagement um.
Jetzt sind Sie bereit für den digitalen Wandel ????
Nächste Schritte...
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